āsanas
Die Bedeutung des Grenzüberschreiten
Die Gesetzmäßigkeit der grenzüberschreitenden Aktivität kann im Ausdruck und Erleben der Kopf-Knie-Stellung (pascimottanasana) sehr gut ergründet werden. Sie wird daher im folgenden zunächst anhand der asana beschrieben und im nächsten Schritt auf das Leben übertragen. Es wird dabei deutlich werden, dass es sowohl eines Zieles, als auch eines objektiven, freieren Bewusstseins bedarf, um über die Grenze des Subjektiven hinaus zu kommen. Im Anschluss wird beschrieben, welche Wirkung diese Art der Aktivität auf den Stoffwechsel und das Regenerationsvermögen hat. Abschließend wird die Bedeutung auf das Gesamte und die damit zusammenhängenden Aspekte der Verantwortung sowie der wachsenden Moralität erläutert.
Die Gesetzmäßigkeit in der Stellung der Kopf-Knie-Stellung (pascimottanasana)
In der Stellung drückt sich eine gezielt angesetzte, grenzüberschreitende und zugleich erbauende Aktivität aus.
Beim Praktizieren der Vorbeuge kommt der Übende schnell an den Punkt, an dem die Spannungen des Körpers einsetzen und eine Grenze der Beweglichkeit erreicht ist. Es lohnt sich diesen Moment genauer in die Betrachtung zu nehmen. Der Praktizierende kann dem Körper nun mit unterschiedlicher Haltung begegnen. Er kann sich an dieser Stelle mit dem Gedanken "bloß auf die Grenze des Körpers achten" zufrieden geben und die Formung beenden. Er kann es sich einigermaßen "bequem machen" und das Ende der Haltezeit herbeisehnen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, den Körper willentlich und mit Ehrgeiz weiter über die Grenze hinaus führen zu wollen. Hier entsteht schnell ein Zwang und körperlich eine Fixiertheit, die tendenziell als "Enge" empfunden wird.
Eine dritte Möglichkeit besteht darin, dass der Übende sich zunächst eine klare Vorstellung darüber bildet, wo im Körper die Aktivität in der Stellung günstigerweise angesetzt wird, welche Teile entspannt bleiben und welche eine stabile und ruhende Basis bilden. Damit kann er den Körper "gliedern" und auch in den spannungsreichen Phasen eine Übersicht und Gelöstheit bewahren.
Er kann an jedem zunächst erreichten Endpunkt in der Formung entscheiden, ob er mit der Ausformung bereits zufrieden ist, oder durch den gezielt angesetzten, aktiven Impuls einen weiteren Schritt in der Ausformung herbei leitet und die Grenze damit erweitert. Aus der freien Sicht auf den Körper, kann er dann entscheiden, wann er die Formungsphase beschließt und die Arme neben den Beinen am Boden ablegt. Auch in dieser Phase wird der Rücken nicht passiv, die "Schubkraft" aus dem aktiven Zentrum in der Mitte des Rückens bleibt bestehen und obwohl die Stellung nun relativ ruhig gehalten wird, kann dieser Impuls immer wieder erneuert werden. Vielleicht entscheidet der Übende nach einiger Zeit des Haltens sogar, die Arme nochmals zu heben und die Stellung - wie oben beschrieben - in eine erneute Erweiterung zu führen. Wenn dies gelingt wird er keinerlei Zwang, sondern aufgrund der eigenen dynamischen Willensformung, eine Freude erleben.
Der Übertrag auf das Leben
In fast jeder verrichteten Tätigkeit kommen wir an den Punkt, an dem wir entscheiden können, ob wir uns mit dem gegebenen zufrieden geben oder die Situation noch etwas weiter gestalten und formen. So kann ich beispielsweise in einer Gesprächssituation eher passiv bleiben und das was der andere sagt "über mich ergehen lassen" oder ich kann mich fragen, wie ich einen Beitrag leisten könnte, um die Situation zu bereichern oder anzuheben. In einigen Situationen bin ich sogar in der Verantwortung für einen von mir errungenen Wert einzutreten oder meine Fähigkeiten dem Gesamten zur Verfügung zu stellen. Wenn der Arzt in einem Flugzeug mitfliegt und ein Mitreisender erleidet einen Herzinfakt, wäre es der Situation nicht angemessen wenn er seine Qualifikation als Arzt leugnen würde.
Bestimmt kennt jeder diese Punkte und weiß wie groß die Versuchung ist, den Weg der Bequemlichkeit oder des vermeintlich geringsten Widerstandes zu wählen. Hinterher wird sich jedoch keine Zufriedenheit einstellen und das liegt nicht nur - wie man zunächst denken könnte - an unseren überhöhten Leistungsansprüchen. Es ist auf einen tieferliegenden Zusammenhang zurück zu führen. Es ist das Bedürfnis der Seele, das Leben zu veredeln und Bestehendes zu erweitern.
Wie in der Körperstellung unmittelbar erfahrbar ist, wirkt die Aktivität sogar erbauend und regenerativ wenn sie mit eigener Bewusstheit und eigener Entscheidung gestaltet und geformt wird.
Dies würde nicht gelingen, wenn wir nicht eine klare Vorstellung und ein klares Ziel hätten.
Die Notwendigkeit eines Zieles und die Bedeutung der "Veredelung" unserer Ziele
Wenn man genau betrachtet, wodurch das Grenzüberschreiten entsteht, wird man bemerken, dass ein "egoistisches" und an eigenen Bedürfnissen orientiertes Ziel nicht die gleiche erbauende Wirkung haben wird wie ein "ästhetisches", edleres Ziel, welches im Zusammenhang steht mit der Gesamtheit.
Im Beispiel einer zwischenmenschlichen Beziehung wäre ein Ziel, das aus einem eigennützigen Motiv erwächst, wenn der andere dafür "benutzt" wird, sich einen eigenen Vorteil (unter Umständen sogar im materiellen Sinne) zu verschaffen oder die eigenen, den anderen dahingehend zu "manipulieren", dass er die eigenen Bedürfnisse möglichst gut erfüllt. Ein weiterführendes Ziel wäre, sich damit zu beschäftigen, inwieweit der andere wirklich in seiner Entwicklung gefördert werden kann. Man könnte sich auch mit der Frage auseinander setzen, wie man als Paar nach außen wirkt, oder was männliche und weibliche Qualitäten wirklich auszeichnet und wie sie gut zusammen wirken können. Es wird deutlich, dass diese Art der Ziele eigentlich zunächst geschaffen werden müssen und den Raum für eine weitere Erforschung erst eröffnen. Man wird einige Zeit damit beschäftigt sein zu ergründen, was es wirklich heißt, "den anderen in seiner Entwicklung zu fördern". Was beinhaltet der Begriff "Entwicklung"? Kann ich überhaupt ergründen, was der andere wirklich braucht? Welche Art von Menschenbild lege ich zugrunde? Es wird ein Interesse an immer weiteren Fragen entstehen und gerade in deren eigenständiger Erforschung wird der Mensch seine Grenze erweitern, im Innersten erkraften und eine wahre Freude erleben.
Die Bedeutung eines objektiveren, freieres Bewusstsein und das rechte Opfer im Sinne eines Loslassens von subjektiven Vorstellungen, vorschnellen Gefühlen, Meinungen, Projektionen
Wie bereits deutlich geworden ist, werden die ästhetischen und edleren Ziele erst geschaffen und befinden sich damit zunächst außerhalb des bisherigen Erfahrungsschatzes des Menschen. Um sich den oben genannten Fragen anzunähern braucht es einen Blick nach außen und auch die Hinwendung zu Schriften, die eine erweiterte, geistige Sicht eröffnen. Erst wenn ich mich ausreichend lange mit den darin enthaltenen Gedanken befasst habe, werde ich eine Empfindung dazu erlangen und kann dann auch mein Handeln auf authentische Weise danach ausrichten. Es ist ein Opfer in dem Sinne erforderlich, dass alle subjektiven, "alten" Vorstellungen, vorschnelle Meinungen und Projektionen und auch sich einstellende Gefühle zurückgehalten und sogar losgelassen werden müssen.
Die Stoffwechselbelebung und das Einwirken neuer Kräfte aufgrund des objektiv einwirkenden Prozesses
Dem "Gemüt" wird die oben beschriebene grenzüberschreitende Aktivität unter Umständen als anstrengend erscheinen und es wird uns suggerieren wollen, "das wir lieber unsere Grenzen beachten und unsere Kräfte schonen sollten". Bezieht man die Wirkung des Bewusstseins ausreichend mit ein, wird man zu einem anderen Ergebnis kommen. Durch den objektiv einwirkenden Prozess des freier gewordenen Bewusstseins können dem Menschen tatsächlich neue Kräfte zufließen wenn man auch die feineren Ebenen, insbesondere die Ebene der so genannten "Ätherkräfte" beachtet. Da der Körper zunächst mehr in Ruhe gelassen wird, können die regenerativen Kräfte besser einwirken. Darüber hinaus kommt es zu einer Stoffwechselbelebung, bei der auch Enzymprozesse angeregt werden. Auf - und Abbbauprozesse können damit in einem richtigen Verhältnis stehen.
Der Aspekt der Verantwortung und Moralität; die Bedeutung für das Gesamte
Nun könnte man glauben, dass es Sache jedes einzelnen ist, wie er sein Leben führt und ob er die Möglichkeiten der Entwicklung und des Grenzüberschreitens nutzt oder nicht. Am Beispiel des Arztes wird deutlich, dass dies so nicht ist. Hat jemand Fähigkeiten erworben, steht er auch in einer Verantwortung, diese in das soziale Leben hinein zu führen.
Wenn ein Mensch sich bereits auf intensive Weise mit moralischen Fragen auseinander gesetzt hat, kann er dieses Wissen nicht mehr leugnen.
Wie bereits beschrieben, hat die Seele das Bedürfnis sich zu erweitern. Insbesondere wenn sie diese Möglichkeit bereits kennen gelernt hat, wird sie zwangsläufig auf irgend eine Art kompensieren müssen wenn sie diesem Bedürfnis durch "Unterlassungen" nicht mehr gerecht wird. Die eigene zutiefst empfundene Unzufriedenheit wird nicht ohne Wirkung auf andere bleiben. Man wird entweder indirekt eine "desillusionierende" Ausstrahlung auf andere haben oder aufgrund der sich einstellenden Unzufriedenheit Neid und Missgunst empfinden. Dies kann unter Umständen soweit gehen, dass der Mensch bewusst oder unbewusst andere an ihrer Entwicklung hindern möchte, weil er den Anblick des entwicklungsfreudigen Menschen auf dem Hintergrund der eigenen erlebten Unzulänglichkeit nicht mehr ertragen kann.
Es wird deutlich welch schöne und erbauende Möglichkeiten in der richtig verstandenen grenzüberschreitenden Aktivität liegen wenn sie vom Menschen selbstständig ergriffen wird. Gleichzeitig ist diese nicht ohne die Aspekte einer wachsenden Verantwortung und weit gefassten Moralität zu denken.