Bewusstseinsübungen
- Pflanzenbetrachtung-
Teil 2
- das Äußere einer Pflanze, ist nur die Hälfte ihrer Wirklichkeit -
Goethe
Was ist dann die andere Hälfte ?
Eine Ringelblume ist im Aufbau und der äußeren Erscheinung immer eine Ringelblume und damit immer charakteristisch, sie ist völlig verscheiden von einer Rose, diese trägt ihren eigene Charakter, in ihrer eigenen Ausdrucksform.
Jede Pflanzenart besitzt ihren spezifischen Charakter, ihr eigenes Wesen. Dieses Wesen der Pflanze äußert sich mit der äußeren Erscheinung und liegt doch hinter ihr verborgen. Es ist nicht gleich offensichtlich, sondern wie ein stilles Geheimnis, das nicht mit den sinnlichen Augen erfasst werden kann.
Lebendige Gestaltbildekräfte äußern sich in den Rhythmen der Natur und sind in einer weisheitsvollen Harmonie angelegt.
Kann man sich diesem stillen Geheimnis, das in der Natur lebt annähern? Kann man einen inneren Sinn entwickeln, für die lebendigen, Gestalt bildenden Kräfte einer Pflanze? Kann man diese andere Hälfte einer Pflanze erfassen?
„Der Übende kann sich durch eine entsprechende Entwicklung der Aufmerksamkeit ihres Ausdrucks bewusst werden, wenn er die Natur und ihre differenzierten Bilder sorgfältiger und mit einigen wesentlichen, ausgewählten schöpferischen Gedanken beobachten lernt. Wenn die Augen auf einigermaßen unbefangene Art und Weise die Erscheinungen in der Natur beobachten, wird sich das Gemüt jener Vielheit eines Weisheitsvollen Zusammenspiels, das in sich selbst vom Kosmos auf die Natur einwirkt und wiederum vom Pflanzenwesen in Wachstumsprozesse hinaus strahlt, bewusst….
Die erste Aufmerksamkeit liegt in einem ruhigen Schauen, das mit konkreten und doch besinnlichen, gezielt vorgenommenen Gedanken begleitet ist, die zu feineren Bildern und inneren Vorstellungen wachsen.“ Heinz Grill
Praktisches Vorgehen
Man nehme sich dazu einige Minuten Zeit und schaue mit ruhiger, beobachtender, klarer und geführten Aufmerksamkeit auf die äußere Erscheinungsform einer Pflanze, wie dies in Teil 1 der Übung beschrieben wurde.
Nun kommt eine Frage zu der beobachtenden Tätigkeit mit hinzu. Diese wird in ruhiger, interessierter und offener Bewusstseinshaltung mit in die beobachtende Tätigkeit hineingenommen.
Eine Beantwortung wird dabei allerdings nicht so gleich in ganz greifbarer oder fassbarer Form auftreten und sollte auch nicht zu schnell erwartet werden.
Es gäbe verschiedene Möglichkeiten der Fragestellung. Sie ist nun nicht mehr nur an die äußere, sinnlich erfassbare Wirklichkeit der Pflanze ausgerichtet, sondern sucht ihr Wesen, ihren feinsinnigen, metaphysischen Ausdruck wahrzunehmen. Die Frage dient als Hilfe sich dieser feineren Erscheinung der Pflanze anzunähern und sollte entsprechend gewählt werden. Besonders für den Anfang erscheint es mir wichtig, sich auf eine einzelne Fragestellung zu begrenzen und diese vor der Betrachtung klar auszuwählen.
Welche Charakteristik zeigt sich an der Pflanze? Wie ist ihre Ausdrucksform?
Welcher Farbeindruck entsteht, der nicht mit der physischen Farbe übereinstimmen muss?
Zieht die Pflanze das Licht heran, verschluckt sie das Licht, oder strahlt sie Lichtkräfte in ihre Umgebung ab?
Besteht ein harmonischer Zusammenhang mit den Nachbarpflanzen oder der Umgebung? Oder steht sie wie isoliert und für sich alleine? Kommt einem die Pflanze entgegen, oder wirkt sie abgeschirmt, verhüllt und verschattet?
Welche Stimmung entsteht bei der ruhigen, offenen, wahrnehmenden Beobachtung?
Es gibt Pflanzen die äußern mehr einen stillen, bescheidenen Eindruck, andere wiederum stehen wie Stolz, aufgerichtet und erhaben. Wieder andere Pflanzen hinterlassen eine Stimmung der Fröhlichkeit (wie beispielsweise das kleine Gänseblümchen)
Der Löwenzahn, äußert einen unbedingten Willen zum Leben, der ihn auch noch in Lebens feindlichster Asphaltwüste zum Wachsen antreibt.
In den Birkenblättern, die leicht im Wind spielen lebt ein anmutiger fast schwereloser Ausdruck, das Lichtspiel zeigt sich im silbrigen Glanz auf den einzelnen Blättern.
Das Äußere einer Pflanze ist nur die Hälfte ihrer Wirklichkeit…
…Die erste Aufmerksamkeit liegt in einem ruhigen Schauen, das mit konkreten und doch besinnlichen, gezielt vorgenommenen Gedanken begleitet ist, die zu feineren Bildern und inneren Vorstellungen wachsen.
Eine innere Stimmung entsteht mit dieser Art der Übung, die wie ein Nachhall das Gemüt oder die Seele die übrige Zeit des Tages begleitet.
Sich selbst zu einer projektionsfreien Haltung zu ermahnen, erscheint mir auch hier wieder als wichtig.
Die Pflanze sollte nicht mit eigenen emotionalen Gefühlen belegt werde, ihre wesenhafte Charakteristik kann sich dann nicht mehr frei aussprechen.
Die Übung muss nicht zwingend in einer eigenommen Meditationshaltung praktiziert werden.
Ein Spaziergang oder Ausflug sind ebenfalls sehr geeignet. Die Übung sollte aber nicht wie „nebenbei“ ausgeführt werden, sondern einen bewusst gewählten Zeitraum gewährt bekommen.
Günstig ist es, wenn am Abend die Pflanzengestalt noch einmal gedanklich in Erinnerung gerufen wird, wie es im ersten Abschnitt der Übung im zweiten Teil beschrieben ist und die Frage zu diesem gedanklichen Aufbau mit hin zu genommen wird.
Es braucht wohl etwas Disziplin und vielleicht auch Überwindung eine Übung regelmäßig durch zu führen.
Auch erscheint es vielleicht ungewöhnlich, sich auf diese Weise zu beschäftigen.
Der deutsche Philosoph und Dichter Johann Wolfgang Goethe hat viel Zeit auf die Beobachtung der Naturvorgänge aufgewendet und ist dadurch zu weitreichenden naturwissenschaftlichen Beobachtungen und Erkenntnissen gelangt, die bis heute ihre Gültigkeit haben.
Auch Edward Bach, ein englischer Arzt des letzten Jahrhunderts, beschäftigte sich sehr viel auf beobachtende und intuitive Weise mit den Erscheinungen der Pflanzenwelt und entwickelte so ein unglaublich sensitives Gespür für die Heilwirkungen bestimmter Pflanzen. Daraus entstand die Bachblüten Therapie, die auch heute noch von vielen Naturheilkundlern angewendet wird.
In jedem Fall entsteht mit dieser Art der Übung eine Freude und stellt nach meinem Empfinden eine schöne und erbauenden Art der Beschäftigung dar.
Ausprobieren lohnt sich :-)