Bewusstseinsübungen
- Pflanzenbetrachtung-
Teil 1
- das Äußere einer Pflanze, ist nur die Hälfte ihrer Wirklichkeit -
Goethe
- Von den Bergen bis hin zum einzelnen Mineral, von den Bäumen bis zum Grashalm wie auch in den Witterungsbedingungen, Jahreszeiten sowie den Rhythmen des Wachsen und Fortpflanzen besteht eine weisheitsvolle Gesamtharmonie. Blicken die menschlichen Augen auf die so vielseitige, einmal spriessende und einmal welkende Pflanzenwelt, so können sie keine Disharmonie wahrnehmen. Jedes einzelne Pflanzenwesen besitzt seinen eigenen Wunderbau, der im Lichte des Kosmos lebt -
Heinz Grill
Um das Bewusstseins als Instrument der Wahrnehmung kennen und nutzen zu lernen, eignet sich die Betrachtung von Pflanzen sehr gut. Sie bilden einen wesentlichen Teil der Lebewesen auf unserem Planeten. Ohne sie wäre unser Leben nicht nur trist und grau, es wäre in der Form wie wir es kennen auch gar nicht möglich.
Bei Schulungen des Bewusstseins ist es immer empfehlenswert auf konkrete und anwendbare Beobachtungsvorgänge zu achten.
Alles schwärmerische und auch jede vorschnelle Beurteilung sollte vermieden werden. Das Bewusstsein bedarf einer gewissen Führung anhand klarer Fragestellungen und einer Ordnung in der Art des Übungsaufbau.
Eine Pflanze nach ihrer Erscheinungsform betrachten
wie ist sie in ihrer Wuchsrichtung ausgerichtet?
bleibt sie eher niedrig am Boden oder wächst sie in die Höhe? ist das Wachstum in die Breite orientiert oder in die Vertikale? Verzweigt sich die Pflanze, oder bildet sie einen Hauptstängel?
wie ist die Betonung der einzelnen Pflanzenbestandteile?
Grundsätzlich lassen sich die Pflanzen in einen Wurzelbereich, in einen Blattbereich und in einen Blüten/Fruchtbereich unterteilen.
Meistens ist bei einer Pflanze ein Bereich besonders betont, dafür weicht ein anderer Teil oder beide anderen Anteile in ihrer Ausprägung zurück.
Oder besteht vielleicht eine gleichmässige Ausprägung der Anteile?
in welcher Wachstumsperiode befindet sich die Pflanze?
ist sie im spriessenden frühlingshaften Wachstum begriffen, im eher sommerlichen Blühen, in der vollreifen Fruchtbildung, oder im Welken und sich zurückziehen.
auf welchen Boden gedeiht die Pflanze? was ist ihre natürliche Umgebung?
liebt sie Bspw das Wasser oder die Hitze der Sonne.
Man sollte darauf achten, die Pflanze nach objektiven Kriterien zu erfassen und sich über die Betrachtung ein Bild ihrer Erscheinungsform anzueignen.
Alles Bewertende, Emotionale würde hier nur stören und der freien Wahrnehmung gegenüber der Pflanze keinen Raum lassen.
Das gewonnen Bild der Pflanze noch einmal gedanklich aufbauen
Hierzu ist es günstig, wenn ein gewisser zeitlicher Abstand von einigen Stunden zum ersten Teil der Betrachtung besteht.
Dieser zweite Abschnitt wird wie eine Konzentrationsübung aufgebaut.
Man suche sich also einen ruhigen Sitzplatz und nehme sich 10 - 15 min Zeit.
Zunächst erfolgt wieder die Ausrichtung des Bewusstseins auf den eigenen Körper, die aufrechte Sitzhaltung und den aufgerichteten Kopfbereich. Die Augen bleiben nach Möglichkeit geöffnet, um den Sinnesbezug zum umgebenden Raum nicht zu verlieren.
Der Atem bleibt frei und bewegt sich im natürlichen Rhythmus zwischen dem umgebenden Luftraum und dem Innenraum des Körpers.
Nun richtet sich das Bewusstsein zu der vorher betrachteten Pflanze aus.
Es ist ein lebendiger, kreativer Gedankenbildeprozess der jedoch nicht in der Welt der Phantasie erfolgt, sondern sich an den vorher geleisteten Beobachtungen orientiert.
So klar, wie die Betrachtung erfolgte, so klar baut nun das Denken das Bild der Pflanze noch einmal auf.
Wie war die Wuchsrichtung?
Welche Pflanzenteile sind betont?
In welcher Wachstumsperiode befindet sich die Pflanze?
wie ist die natürliche Umgebung in der sie beheimatet ist?
Diese ersten beiden Teile der Übung kann man über mehrere Tage hinweg üben. Man sollte dabei immer die selbe Pflanze betrachten und sie jedes Mal mit neuem unbefangenen Interesse anschauen.
Am Anfang wird es vielleicht noch schwer fallen, sich an die einzelnen Bestandteile der Pflanze zu erinnern, im Laufe der Tage wird dies aber besser gelingen. Erfahrungen zeigen, dass schnell ein Gefühl der Beziehung zu der Pflanze entsteht, dies wird sicher immer als angenehm empfunden werden.
Man muss aber unbedingt darauf achten, emotionale Gefühle zurück zu halten, Sinn der Übung ist ja gerade die projektionsfreie Wahrnehmungsschulung.