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Bewusstseinsübungen

 Pflanzenbetrachtung  
im Frühling

Endlich ist es Frühling und das spriessende Wachstum ist nach der Winterruhe in die Natur zurückgekehrt. Auch der Mensch möchte nach dem langen Winter seine Sinne wieder nach Draußen lenken und der Natur begegenen.

Eine schöne Möglichkeit um nicht nur sehnsüchtig die Farben, das Licht und die Düfte der neu erwachenden Natur aufzunehmen, sondern der Natur sogar etwas Neues hinzuzufügen, bietet die sogenannte Pflanzenbetrachtung oder Naturbetrachtung.

 

Bei dieser Bewusstseinsübung stellt ein Obkjekt der Natur den Gegenstand der Konzentration dar.

Der Übende widmet dem Betrachtungsgegenstand seine Zeit, seine Aufmerksamkeit und Wahrnehmung. Ein bewusster Gedanke, der die Wahrnehmungsprozesse führt, bereichert und belebt das eigene Sinnesleben aber auch die Natur selber wird dadurch bereichert. Ein Gedanke der gedacht wird, wird ihr hinzugefügt.

Anleitung

Jede Naturerscheinung ist zur Auswahl möglich. Ein Baum, ein Zweig, eine Blume, eine Blüte, ein Ausschnitt aus der Landschaft, eine Gruppierung von Bäumen oder anderen Pflanzen können als Gegenstand der Betrachtung gewählt werden.

Zunächst schaut man die gewählte Naturerscheinung mit einem ganz klaren und konkreten Gedanken an.

Wie ist die Form des Zweiges, des Blattes, der Blüte? Vertikal hochstrebend, oder mehr horizontal orientiert. Lang und schmal oder breit. Läuft sie nach vorne spitz zu, oder wird sie breiter an einer Stelle? Wie kann diese Form beschrieben werden?

Gibt es Wiederholungen im Aufbau der Pflanzenstruktur, lässt sich eine bestimmte wiederkehrende Rhythmik erkennen?

Wie ist die Farbe? Wie lässt sie sich beschreiben und chakakterisieren?

Was ist das auffallendste Charakteristikum der Pflanze? Was fällt am meisten auf, was fällt einem in's Auge?

Als günstig hat es sich erwiesen nicht zu viele Gedanken auf einmal zu nehmen. Man kann sich ersteinmal nur der Form widmen.

Und erst bei einer zweiten und dritten Betrachtung die anderen Fragen mit hinzunehmen. Die Wahrnehmung erhält so eine klare Führung und man endeckt eventuell etwas, dass einem nicht aufgefallen wäre, wenn man zu schnell gleich weitergeht.

Nach der sinnlichen Betrachtung mit den Augen, erfolgt ein aus der Erinnerung getätigter. gedanklicher Aufbau des Objektes für ein bis zwei Minuten. Dabei orientiert man sich nach den konkreten Fragen. Wie war die Form, die Farbe, der Aufbau?

Im Anschluss schaut man das Objekt erneut an und fragt sich, ob das gedanklich aufgebaute Bild mit der Realität übereinstimmt.

Oder ob vielleicht etwas "hinzugedichtet" wurde, das gar nicht da ist, oder ganz anders aussieht.

Dreimal hintereinander für jeweils ein, zwei oder max. drei Minuten erfolgt diese Beziehungsaufnahme zu dem Pflanzenwesen.

Es ist tatsächlich wie eine Beziehungsaufnahme, wie ein In-Kontakt-treten zu dem Objekt der Betrachtung.

Durch den wiederholten gedanklichen Aufbau, löst sich der Betrachter von der reinen Sinnestätigkeit über die Augen, das Objekt erscheint auf der gedanklichen Ebene. Eine erste leise, metaphysische Wahrnehmung wird möglich.

Ein erweiternder Gedanke wird hinzugefügt

Gedanken von Dichtern, Philosophen, Künstlern oder anderen Menschen die sich tief greifende Gedanken zu den Erscheinungen der Welt gemacht haben, sind in der Regel gut geeignet um die eigenen Betrachtung und Wahrnehmung zu erweitern. Im Folgenden wird ein Satz von Johann Wolfgang von Goethe genommen. 

das Äußere einer Pflanze, ist nur die Hälfte ihrer Wirklichkeit

Ganz konkret wird das Bild der Pflanze noch einmal gedanklich aufgebaut und in der Konzentration aufrecht erhalten. Der Gedanke wird  zu der bildlichen Vorstellung hinzugenomme, hinzugedacht und ebenfalls in der Konzentration gehalten. Diese mentale Aktivität sollte für drei bis fünf Minuten ruhig geführt, aufmerksam, wach und ganz lebendig erfolgen.

Pflanze, Gedanke und der Übende sind drei differenzierte und unterschiedliche Objekte, die in der Übung nun nicht zu einer Einheit verschmelzen, sondern differenziert bleiben und dennoch in einer Beziehung zu einander erlebt werden können.

Mit der Zeit, durch Wiederholung, Übung und einer immer wieder neu aufgebauten, konkreten Bewusstseinsaktivität, bekommt das Wesen der Pflanze den Raum sich auzusprechen.

Der Übende gewährt diesen Raum durch seine wiederholte Hinwendung, sein Interesse und ganz besonders durch seine gedankliche wache Aktivität.

Ein Gedanke der wahr ist, aber nicht unbedingt sogleich verstanden wird, wird dennoch gedacht und in offener, fragender, interessierter Bewusstseinshaltung einer Erscheinung der Natur hinzugefügt.

Dies führt zu einer Öffnung und frei werden von lichten, übersinnlichen Kräften. Ein Wesen bekommt den Raum in Erscheinung zu treten. Die andere Hälfte der Pflanze, ihre metaphysische Erscheinung tritt dem Übenden näher und er entwickelt eine feine Empfindung für einen übersinnlichen Teil der Schöpfung, denn er nur mit den Augen nicht wahrnehmen könnte. 

Empfehlenswert ist es über einige Tage immer wieder die gleiche Naturerscheinung zu studieren und in die Betrachtung zu führen.

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Gerade in den Blüten der ersten Frühjahsspflanzen lebt eine stille, bescheidene Anmut und Schönheit, die den Menschen in seiner Seele berührt und mit Freude erfüllt.
Ist es nicht erstaunlich, dass diese zarten Geschöpfe oft noch dem Schnee und der Kälte trotzen?

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