Bewusstseinsübungen
Begriffs Übung
Definition Begriff:
Wie ein Wort zu verstehen ist, zu begreifen. Quelle: Wikipedia
Die in Worte geprägte Formgestaltung, beinhaltet eine ehemals getätigte Erfahrung und möchte diese Wiedergeben. Quelle: Heinz Grill "Übungen für die Seele"
Sich mit Begriffen etwas ausführlicher zu befassen ist eine spannende Beschäftigung. Wie oft benutzen wir am Tag Wörter, deren Bedeutungen uns nur unzulänglich bekannt sind. Wir meinen zu wissen was wir sagen, aber häufig fehlt uns doch der Zugang zu dem wirklichen Bedeutungssinn des genutzten Ausdruckes. Ein nachvollziehbares Beispiel dafür ist der Begriff Frieden. Der Wunsch nach Frieden ist sicher ein sehr berechtigter und in unserer Zeit heute in aller Munde. Meist jedoch ist mit dem Aussprechen eine Forderung an die Politiker oder an die Mitmenschen gestellt. Was wirklich zu dem gewünschten Frieden führt, das können nur wenige derjenigen benennen die das Wort im alltäglichen Sprachgebrauch aussprechen.
Begriffe entwickelten sich in der Sprache nicht willkürlich oder zufällig, vielmehr liegt in ihnen ein Urbild des Wortes zugrunde. Dieses Urbild oder Bedeutungsinhalt kann dem eigenem Bewusstsein näher kommen. Die Begriffsübung ist weniger eine intellektuelle Angelegenheit, auch wenn sie eine mentale Beschäftigung bedeutet, vielmehr soll durch sie eine Nähe zu dem Begriff und seinem Bedeutungssinn entstehen.
Heinz Grill, der eine Vielzahl von Übungen dieser Art entwickelt hat und anregt sie zu praktizieren, benennt sie daher als Seelenübungen.
Die Übung gliedert sich sinnvoller Weise in mehrere Schritte, in deren Verlauf der Übende sein bisheriges Verständnis zu dem Begriff ein Stück weit loslassen muss, um möglichst unbefangen und wie neu zu einer Nähe und Empfindung oder sogar zu einem neuen Verstehen zu gelangen. Fehlt die Bereitschaft die eigenen bisher gefassten Vorstellungen beiseite zu lassen, kann keine neue Erkenntnis zu dem Begriff gewonnen werden. Der Begriff bleibt somit verdeckt, da das Alte keinen Raum für Neues gibt. Daher ist diese Übung durchaus eine die Mut erfordert. Denn die eigene bereits gefasste Vorstellung beiseite zu legen und sich etwas unbefangen anzuschauen, ist gar nicht so selbstverständlich.
Das im folgenden beschriebenen Beispiel zu dem Begriff "Gemeinschaft" wurde von mehreren Personen gemeinsam praktiziert und ist als Anregung zu verstehen wie diese Übung ausgeführt werden kann.
Gemeinschaft
1.
Allgemeines Verständnis
Dorfgemeinschaft
zusammen
Austausch
Mannschaft
etwas teilen
etwas rundes / Eingrenzendes
Ordnung
Religions/Wohn/Fahrgemeinschaft
Zweckgemeinschaft
Ehegemeinschaft
Zugehörigkeit der Staatsangehörigkeit per Geburt
Persönliches Verständnis
gemeinsame Werte / Ausrichtung
"Nest" / Netzwerke
Eingebettet sein
Verbindung
Interesse aneinander
2.
Wortursprung / Etymologie
Das Wort ist seit dem 8. Jahrhundert bekannt.
Es ist ein Substantiv, somit ein Hauptwort. Diese werden interessanterweise auch als "Inhaltswörter" bezeichnet.
Von lateinisch "communitas" - dasselbe "communis" - gemeinsam, öffentlich
setzt sich zusammen aus: "con" - zusammen und "munis" - Pflicht, Verpflichtung, Aufgabe
Definition Duden: Gruppen/Personen die sich einander verbunden fühlen
Organisation, die sich zu bestimmten Zwecken gebildet hat
3.
Aufgaben / Chancen / Möglichkeiten
Fürsorge, Versorgung
Zum Wachstum beitragen
Zuhören
Gestalten
Lehren und Lernen
Offenheit für die anderen
Kooperation
Großes Bewirken
Gefahren / negative Wirkungen
Vollkommenes Aufgeben der Individualität
Gruppenzwang
Symbiose
Abschottung, Ausgrenzung
Dogmatismus
Überforderung, Selbstaufgabe
4.
Weisheitsvolle, philosophische Aussagen
bekannter Persönlichkeiten
Platon:
424-448 v. Chr. antiker griechischer Philosoph, dessen Lehren und Gedanken die westliche Denkweise wesentlich geprägt haben.
"Gerechtigkeit soll das Strukturprinzip des Gemeinwesens sein."
"Gerechtigkeit heißt für den Einzelnen das Seinige zu tun."
Gerechtigkeit gehörte für Platon zu den vier elementaren Kardinaltugenden. Die anderen Kardinaltugenden nach Platon sind Weisheit, Mässigung und Mut.
"Am richtigen Platz eine angemessene oder dem Einzelnen entsprechende Aufgabe zu haben und diese zu erfüllen." Quelle: Platon, Politéa
Aristoteles:
384- 322 v. Chr. Schüler von Platon und sein Nachfolger in der Leitung der von Platon gegründeten platonischen Akademie.
"Der Mensch könne alleine kein autarkes Leben führen, er braucht die Gemeinschaft."
"Wer keiner Gemeinschaft bedarf, ist entweder ein Gott, oder ein wildes Tier." Quelle: Philosophische Bibliothek, Aristoteles Philosophische Schriften.
unbekannter Autor:
"Einzeln sind wir Worte, gemeinsam ein Gedicht."
5.
Konzentrationsübung - Neuschöpfung
In der bisher geleistet Auseinandersetzung entsteht durch die gemeinsame Arbeit der Beteiligten, ein gewisses Bild von dem Begriff. Nun erfolgt ein Schritt, den jeder einzeln für sich selber leistet. Das erarbeitet Bild wird in der Konzentration gedanklich aufgebaut, eine gewisse Zeitspanne gehalten und dabei angeschaut. Durch diesen Prozess der Konzentration entsteht die eigentliche Empfindung und Nähe zu dem Bedeutungssinn des Begriffes. Zu dem Bild denkt man sich eine Frage hinzu, ohne diese auf intellektuelle oder schnellfertige Weise beantworten zu wollen. Dieser Aspekt ist sehr wichtig, will man eine Antwort, bleibt das Bild verschlossen.
Die Frage erscheint mehr wie ein Nebenprodukt, wie ein stiller Begleiter des Konzentrationsinhaltes. Es kann sich daraus aber eine Formulierung finden, die das gewonnen Verständnis des Übenden ausdrückt.
Wie könnte eine mögliche ideale Beschreibung des Gemeinschaftsbegriffes sein? Oder auch:
Was ist das Ideal von Gemeinschaft?
"Im Ideal einer Gemeinschaft erkraftet jeder in seiner Individualität und Einzigartigkeit und fördert dadurch das Gesamte." Teilnehmerin der Übung