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Sonnenaufgang über dem Weizenfeld

Gesundheit

Das freie Bewusstsein 

 

 

Das menschliche Bewusstsein gliedert sich in einen unbewussten und in einen bewussten Teil. Beide sind in einer Beziehung zum menschlichen Nerven, - und Sinnessystem. 

 

Man könnte sagen, das Nervensystem ist der Träger des Bewusstseins und empfängt über die Sinneswahrnehmungen jeden Tag, bewusst und unbewusst, unglaublich viele Eindrücke. Es ist eine Aufgabe des Bewusstseins diese Eindrücke zu ordnen, zu verarbeiten, zu integrieren, einzugliedern oder abzuwehren.

Die vielen Reize, denen der Mensch heute ausgesetzt ist, stellen eine große Herausforderung dar und führen häufig zu einer Überforderung.

Die Reizübertragungen und Verarbeitungen werden im Körper durch Hormone und Neurotransmitter reguliert und gesteuert.

Neurotransmitter sind Botenstoffe, die die Erregung und Reizübermittlung einer Nervenzelle an die nächste übertragen.

Zu den wichtigsten Vertretern zählen Adrenalin, Noradrenalin und Serotonin.

Noradrenalin und  Adrenalin sind sowohl Hormone wie auch Neurotransmitter. Sie werden auch als Katecholamine bezeichnet.

Bei Stress werden vermehrt Katecholamine ausgeschüttet und führen über die Verengung der Blutgefäße zu einem Blutdruckanstieg.

Serotonin ist ebenfalls ein Hormon und einer der wichtigsten Neurotransmitter bei der Verarbeitung von Reizen.

Serotonin ist in einen komplexen biochemischen Regelkreis eingebunden und beeinflusst das Schmerzempfinden, den Wach- und Schlafrhythmus, die Wahrnehmung, sowie den Gemütszustand.

 

Wird dieser Körper interne Regelkreis dauerhaft und stark beansprucht, kann es nachvollziehbar zu schwerwiegenden Folgeerscheinungen kommen.

Viele sogenannte Zivilisationskrankheiten, wie Erschöpfung, Schlafstörungen, Burnout, Depressionen, Lernschwäche bei Kindern und Verlust der Konzentrationsfähigkeit, Tinnitus  ja sogar Diabetes, Herzkreislauf Erkrankungen, Adipositas und viele mehr werden in einen Zusammenhang mit der permanent präsenten Reizüberflutung und der damit einhergehenden Anforderung an das biochemische Regulationssystem des Körpers gebracht.

 

In der Yogatradition gibt es den Begriff des pratyāhāra. (1)

Allgemein wird darunter der Rückzug der Sinne oder das Abwenden von allen Äußerlichkeiten verstanden.  

Ein Rückzug aus der Welt in die Abgeschiedenheit war im alten Indien für den Yogi und den nach Weisheit Suchenden gängige Praxis und wurde als notwendig erachtet auf dem Weg zur Erleuchtung. 

 

Aber wäre es heute zeitgemäß sich in die Abgeschiedenheit zurückzuziehen? 

Augen und Ohren zu verschließen und still nach dem Weg zu sich selbst, nach Einheit und Frieden zu suchen? 

Die Welt und die Menschengemeinschaft befindet sich in einer kritischen Situation, man könnte sagen wir befinden uns an einem Scheideweg. 

Auf der einen Seite steht eine Zunahme der Zivilisationskrankheiten, sowie immer wahnsinniger werdende Kriege um Öl, geopolitische Macht, Wasser und knapper werdende Ressourcen und ein bei vielen Menschen eingetretenes Gefühl der Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit.

Auf der anderen Seite besteht die Sehnsucht nach Harmonie, Entwicklung, Beziehungen und ein Leben in Verbundenheit mit anderen Menschen und der Natur.

 

Eine Welt zu schaffen in der Menschen sowie alle anderen Lebewesen in Würde leben können, bedarf einiger Anstrengung und den Mut neue Wege zu denken. 

 

Denn wenn wir die Augen verschließen und uns in eine scheinbar friedliche Welt flüchten besteht die Gefahr, dass Tendenzen die Oberhand gewinnen die einem Leben in Würde und Respekt entgegengesetzt sind. 

Diesen negativen Tendenzen entgegenzuwirken bedarf Aktivität und einer wachen Wahrnehmung gegenüber den Zeitbedingungen. 

 

Ein Schlüsselgedanke dazu ist, dass wir die Führung über unser Bewusstsein erlangen können und müssen. Denn das Bewusstsein ist unser Instrument zur Wahrnehmung. Aus der Wahrnehmung entstehen Empfindungen zu dem Wahrgenommen und daraus leiten sich unsere Handlungen ab. 

Insbesondere die Medien überfluten uns tagtäglich mit Reizen und Informationen die wir nicht einordnen können. Die Informationen können wir nicht einordnen, da sie uns in kleinen, nur Sekunden dauernden Spots übermittelt werden. Die Zusammenhänge und die Hintergründe dazu kennen wir aber nicht. Wir nehmen sie jedoch auf, oft ohne uns dem überhaupt bewusst zu sein. Und dann werden sie, wie der Friedensforscher und Historiker Dr. phil. Daniele Ganser es in einem Vortrag einmal formulierte, „Teil unseres Systems“. 

Sie werden zu unseren eigenen Gedanken, obwohl wir dies vielleicht gar nicht wollen und es uns auch nicht bewusst ist. 

Vielen Menschen es vielleicht nicht klar, wie stark wir alle von Medien und Meinungen beeinflusst sind und wie schnell wir etwas Gesehenes und Gehörtes unreflektiert zu einer scheinbar eigenen Meinung machen, ohne eine wirkliche Kenntnis der Sache zu haben. 

 

Wie also umgehen mit der Anforderung, uns den Zeitbedingungen zu stellen und uns gleichzeitig nicht von übermäßigen Reizen und Schreckensnachrichten in die Erschöpfung und Krankheit bringen zu lassen? Oder uns gar instrumentalisieren zu lassen, von Regierungsinteressen die nicht unsere eigenen sind und Konzernen die uns Dinge verkaufen, die wir gar nicht wollen und nicht brauchen. 

Unterscheidungsbildung der Bewusstseinskräfte

 

Das Bewusstsein ist das Instrument des Menschen zur Wahrnehmung, zum Denken, zum Fühlen und letztlich auch zum Wollen und Handeln. 

Das Nervensystem ist der Träger des Bewusstseins, aber das Bewusstsein auf eine reine physische Existenz zu beschränken, würde dem Bild des Menschen aus einem erweiterten seelisch-geistigen Verständnis nicht gerecht werden. 

Vielmehr kann das Bewusstsein als ein feinstofflicher Leib gesehen werden, der im Nerven,- und Sinnessystem seine physische Entsprechung findet.

 

Für die Entwicklung einer freien Bewusstseinskapazität ist die Unterscheidungsbildung zwischen unfreien und freien Gedankenkräften wichtig.

All das was tagtäglich an Reizen, Medienmeinungen, vorschnellen Assoziationen, aber auch Emotionen und einschießenden Willensimpulsen an den Menschen herantritt, kann als unfrei oder Leibgebunden bezeichnet werden. 

 

Ein Beispiel kann diesen Prozess verdeutlichen.  

 

Man trifft einen Menschen, den man nicht gut kennt. Von jemand anderem hat man bereits von diesem Menschen gehört und die Meinung wurde an einen herangetragen, ihm würde es gerade sehr schlecht gehen und er wäre in einer emotionalen misslichen Lage. 

Mit diesem Gedanken gehen wir nun ganz automatisch in die Begegnung mit diesem Menschen und haben bereits ein Bild von ihm im Kopf. Es wird uns schwerfallen, innerhalb dieser Begegnung nun frei von der vorgefassten Meinung zu sein und wir können demjenigen nicht unvoreingenommen gegenübertreten. Ebenfalls wird der andere nicht frei von dieser über ihm ausgesprochenen Meinung sein. 

Eine freie Begegnung mit einer unbefangenen, gegenseitigen Wahrnehmung ist erschwert. 

 

Die freien Gedankenkräfte beginnen immer in einer unvoreingenommenen Wahrnehmung zum Gegenüber, sei es ein Mensch, Tier, eine Pflanze, ein Objekt oder ein Thema. Vorschnelle Assoziationen, intuitive Meinungsbildung, das zu schnelle Beurteilen, aber auch gedankenloses Träumen und Schwelgen müssen zurückgelassen werden, damit eine wirkliche Wahrnehmung und objektive Vorstellung entstehen kann.

Das Bewusstsein wird freier, wenn der Mensch sich die Fähigkeit einer eigenständigen, objektiven Anschauungs,- und Vorstellungsbildung aneignet. 

 

Dies ist ein Prozess der eine bewusste Aktivität und Lernbereitschaft fordert, wohingegen die vereinnahmenden und assoziativen Mechanismen ganz automatisch und passiv ablaufen. 

 

 

Der Weg von oben nach unten 

Ausrichtung der Gedanken

 

Sowohl Rudolf Steiner wie auch Heinz Grill beschreiben die Bewusstseinsschulung als einen Weg der von oben nach unten gehen müsse. 

Beginnend von der Ausrichtung der Gedanken, über die daraus entstehende Entwicklung von Empfindungen, zu einem Wollen und Handeln. 

 

Das Gegenbild finden wir z.B. in der Werbung. Sehr geschickt wird dem Menschen dort suggeriert, dass er etwas brauchen und haben will.

Wer kennt das nicht, ohne nachzudenken kaufen wir etwas das unsere Begehrlichkeit geweckt hat. Die Werbung setzt direkt im emotionalen Wollen an. Die Gedanken sind geistiger Natur, sie setzten daher in einer geistigen, bzw. gedanklichen Ebene an. 

 

Baut ein Schreiner bspw. ein Werkstück, wird er nicht einfach darauf los bauen.

Zunächst einmal hat er eine Idee was gebaut werden soll, dann wird er sich eine Vorstellung über die Form und das Design machen und wie diese in die Umsetzung geführt werden können. Erst dann wird er in die praktische Realisation gehen. Am Ende ist aus der Idee ein materieller Gegenstand entstanden. 

Ähnlich verhält es sich mit der Bewusstseinsschulung. Das Denken richtet sich aus zu einem Gedanken, zu einer Idee oder zu einem Ideal.

Nun darf man aber nicht in Wunsch und Sehnsucht nach dem Ideal stehen bleiben, sondern es muss die Arbeit aufgebracht werden, das Ideal in die konkrete Umsetzung zu führen. Dieser Prozess kann als Weg von oben nach unten benannt werden. Von oben - vom Ideal von der Idee ausgehend- nach unten - zur konkreten Realisierung und praktischen Umsetzung. 

 

Wenn man sich z.B. der Frage zuwendet, wie können Menschen in Würde und Achtung miteinander leben, dann wird man dies nicht so gleich beantworten können und auch nicht gleich etwas tun können.

Wendet man sich dieser Frage aber in einer wiederholten Beschäftigung und Auseinandersetzung zu, dann wird man mit der Zeit einige brauchbare Ergebnisse erhalten. Daraus können sinnvolle Handlungen abgeleitet werden, um dem Ziel ein Stück weit näher zu kommen und das Ideal das am Anfang steht in die reale Umsetzung zu führen. 

 

In ganz praktischer Weise kann man sich diesem Übungsweg zuwenden, in dem man eine sogenannte Konzentrationsübung oder Betrachtungsübung tätigt. 

Man nimmt sich z.B. vor eine bestimmte Blume oder Pflanze zu betrachten. Die normale Reaktion die sogleich eintritt, bevor man überhaupt richtig hingeschaut hat, ist häufig eine emotionale Bewertung.

‚ Oh diese Blume ist soo schön,…‘ oder man verbindet bereits erworbenes Wissen mit der Pflanze. Zum Beispiel über die Heilwirkung. 

In einer Bewusstseinsschulung, würde man diese vorschnelle Reaktion zurück halten und sich auf objektivere Weise der Betrachtung zuwenden. 

 

Man kann z.B. auf das Verhältnis von Stängel, Blatt und Blüte aufmerksam werden, die verschiedenen Formen betrachten, ist die Pflanze eher schlank und zierlich, horizontal im Wachstum ausgerichtet oder wächst sie mehr in die Breite, ist nah am Boden usw.

Eine weitere Möglichkeit ist es eine Frage mit hinzunehmen. Wie wirkt die Pflanze, welche Stimmung entsteht wenn sie länger betrachtet wird? Bei manchen Pflanzen wird einem bei längerer Betrachtung der Eindruck von Freude entgegenkommen, wieder andere erwecken eher den Eindruck von Bescheidenheit. (2)

Die Gedanken erhalten auf diese Weise eine Führung und eine Ausrichtung. Schweift man ab, wendet man sich erneut dem vorgenommen Gedanken zu. Mit der Zeit wird es selbstverständlicher die Gedanken aufmerksam auszurichten und die Wahrnehmung dem Objekt gegenüber wird differenzierter und feiner. 

 

Von Heinz Grill wird diese Übungsweise als Konzentrationbildeprozess oder Gedankenbildeprozess beschrieben, der eine Vorstufe und Voraussetzung für die Meditation ist. 

In vielen Vorträgen und in umfassender Literatur geht er darauf ein und beschreibt die Wirkungsweise und die Möglichkeiten die darin liegen. 

Er benennt diesen konzentrationsbildenden Prozess als eine der wichtigsten Aufgaben und Anforderungen an den heutigen Menschen. 

Das Nervensystem erfährt mit den Übungen eine Ruhe und Ordnung, die vielen Reize können besser zurückgewiesen oder eingeordnet werden. Die Bewusstseinskräfte gewinnen eine Klarheit, eine Erweiterung und Stärkung. Und somit ein größeres Maß an Freiheit, da sie sich nicht mehr an den kleinlichen und engen Wünschen des materiellen und emotionalen Daseins orientieren, sondern sich zur Freiheit der eigene Möglichkeiten aufschwingen. 

 

 

(1) Den Begriff pratyāhāra kommt aus dem Raja Yoga, dem königlichen Yogapfad.

Die sutra, d.h. der Vers der zu diesem Begriff aufgeschrieben ist, lautet in Übersetzung: Wenn die Sinne sich von ihren Objekten zurück ziehen und sozusagen in das Eigenwesen des Geistes eingehen,

so heißt dieser Zustand "das Zurückhalten der Sinne"

 

Der Vers könnte auch dahingehend gedeutet werden, dass nicht ein Rückzug von Außen nach Innen angestrebt wird, sondern vielmehr ein Rückzug auf ein spezielles, individuelles Thema. Ich würde dies so verstehen, das damit eine Auseinandersetzung und das wirkliche Kennenlernen und Ergründen eines individuell wichtigen Thema gemeint ist und die Sinne dahingehend erzogen werden, sich nicht ablenken zu lassen.

 

(2) Jeder Pflanzengattung wohnt ein eigener Charakter inne. Edward Bach hat diese „Seeelenstimmungen“ der Pflanzen sehr genau erforscht und beschrieben.

 

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