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        Philosophie

                                                     Lebensnahe Wege in der Spiritualität

 

Teil 1

 

Wir leben in einer Zeit, die von der Konsumorientierung des Materialismus geprägt ist. Immer mehr Menschen nehmen wahr, dass ihnen darin etwas fehlt. Sie fühlen sich einsam, entfremdet und finden keinen rechten Sinn im Dasein. Es ist nachvollziehbar, dass ein Ausweg gesucht wird.

Wie eine Gegenbewegung erscheint die Suche nach der Anbindung an etwas Höheres, dem sich Menschen auf unterschiedliche Weise anzunähern versuchen. Spirituelle Erfahrungen, die oft mit einem Erleben des vollkommenen „Eins Seins“ beschrieben werden, können vielfältig sein. Manche erleben sie beim Tanzen, dem Singen von Mantren oder einer Form der Meditation.

Nicht selten bleiben diese Erfahrungen jedoch getrennt vom übrigen Dasein und es scheint nicht recht möglich, sie mit dem alltäglichen Leben in eine Verbindung zu bringen.

Weitere Möglichkeiten sind spirituelle Gruppen oder eine Institution wie die Kirche, der man sich anschließen kann. Darüber hinaus gibt es Lehrer oder sich als „Medium“ bezeichnende Menschen, die Einsichten aus einer geistigen Welt übermitteln möchten.

Spiritualität als Begriff (lateinisch: spiritus, Geist, Hauch‘ bzw. spiro ,ich atme‘) bezeichnet die Suche, die unmittelbare Anschauung oder das subjektive Erleben einer sinnlich nicht fassbaren transzendenten Wirklichkeit, die der materiellen Welt zugrunde liegt. Spirituelle Einsichten können auch mit den „Sinnfragen des Daseins“, mit der Erfahrung der Ganzheit der Welt in ihrer Verbundenheit mit der eigenen Existenz sowie einer „letzten Wahrheit“ und höchsten Wirklichkeit und sogar der Integration des Unerklärlichen oder ethisch Wertvollen in das eigene Leben verbunden sein. 1

Insbesondere der Aspekt der Integration in das eigene Leben soll nun weiter in die Betrachtung rücken. In diesem Zusammenhang erscheint mir insbesondere das anthroposophische Menschenbild von Rudolf Steiner als sehr wesentlich. Hier trägt der Mensch selbst mit seinem „Ich“ einen über die irdisch verkörperte Persönlichkeit hinausgehenden, geistigen Wesenskern, einen „göttlichen Funken“ in sich. 2 In diesem Sinne gebrauche ich im Folgenden den Begriff des „Selbst“ als die individuelle geistige Substanz im Menschen, die es ermöglicht, in jedem Moment des Lebens dem Gegebenen etwas hinzuzufügen, es sogar zu verwandeln.

Diese Instanz macht es uns möglich, eine universale geistige Wirklichkeit mit dem konkreten Dasein zu verbinden. Auf diese Weise können wir innerhalb der oben beschriebenen Polarität von „Weltenverhaftung“ (der materialistischen Tendenz der Zeit) sowie der Gegenbewegung, dem Wunsch der Welt zu entfliehen in einen Zustand der Einheit und Transzendenz, eine Mitte kreieren.

Spiritualität als Synthese von Geist und Welt

Mir erscheint es sehr bedeutsam, Spiritualität so zu verstehen, dass sie die Verbindung zwischen den geistigen, universalen Welten und dem konkreten „irdischen“ Leben herstellen kann. Einen Weg dort hin eröffnet meines Erachtens der spirituelle Lehrer und Begründer des Neuen Yogawillens, Heinz Grill. Er zeigt durch seine Person eindrucksvoll auf, dass es der einzelne Mensch selbst ist, der die Synthese in jeder Situation des Lebens herzustellen vermag.

Der Fokus bei einer Schulung liegt nicht auf einer Veränderung der äußeren Lebensumstände. Vielmehr werden durch das Studium der Weisheiten aus spirituellen Schriften neue Perspektiven eröffnet.Von diesen ausgehend kann das Leben in der Folge bereichert und konkret gestaltet werden.

Zunächst wird eine unterscheidende Wahrnehmung darüber gewonnen, was wirklich bleibende Werte darstellen, die in der Folge im Leben gezielt gefördert werden können. Beispielweise kann der Unterschied zwischen ungesunden symbiotischen Verbindungen unter Menschen zu wirklichen Beziehungen kennengelernt werden. Vergangene negative Beziehungserfahrungen oder Traumen können dabei von einem freieren Standpunkt aus angeschaut, relativiert und sogar transformiert werden. Es ist ein völliger Neunanfang unabhängig von der bisher geformten Vergangenheit möglich.

Wesentlich ist, dass es innerhalb der Schulung gerade darum geht, sich auf eigenständige Weise mit den Inhalten weisheitsvoller Schriften auseinander zu setzen. Man übernimmt nicht einfach eine Aussage beispielsweise von Rudolf Steiner und erhebt sie zum Dogma. Dann würde man sehr moralisierend auf andere Menschen wirken. Man lernt das eigene Bewusstsein zu gebrauchen und eine eigene Erkenntnis zu erlangen. Genauer findet damit eine Schulung der drei Seelenkräfte, dem Denken, Fühlen und Wollen statt. Durch wiederholte denkende Auseinandersetzung entwickelt sich eine feinere Empfindung, die sich schließlich auf authentische Weise in einer Handlung ausdrückten und immer wieder neu in Beziehung bringen lässt. Andere Menschen können dadurch auf natürliche Weise inspiriert werden.

Ein Beispiel

Der Lehrer in einer Schule könnte sich mit dem Aspekt der „Dreigliederung“, wie er von Rudolf Steiner und Heinz Grill beschrieben wird, intensiv auseinandergesetzt haben und schließlich authentisch in seinem Handeln ausdrücken. Die Gliederung bezieht sich unter anderem auf die Seiensebenen Körper (Verhalten), Seele und Geist. Dieser Lehrer wird dann Kinder für ihr Verhalten tadeln können, ohne dass sie sich deshalb in ihrer Person angegriffen fühlen. Im Gegenteil, die Schüler/innen werden gleichzeitig eine Wertschätzung erleben, sich wahrgenommen und in ihrer Entwicklung gefördert fühlen. Die Kritik erfolgt aus einer weisheitsvollen Sicht, bezieht sich auf die konkrete Verhaltensebene und lässt den Menschen in seinem Sein gewähren, eröffnet ihm sogar einen weiteren Raum.

1  https://de.wikipedia.org/wiki/Spiritualit%C3%A4t

2 Rudolf Steiner: Ein Weg zur Selbsterkenntnis des Menschen, Gesamtausgabe 16 (2004)

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